Anders als in Amerika, England und Frankreich, war der Irrationalismus in Deutschland die tragende geistige Kraft und besaß tiefen Einfluss auf die nationale Politik.
Die verschiedenen Formen des Determinismus sowie der „Freie Wille“, sind seit der griechischen Denkkultur Bestandteile aller philosophischen Richtungen und der Begriff der Freiheit war ein stets umstrittenes Thema, auch innerhalb der christlichen Religion. Obwohl eine gute Anzahl der bekannten Denker ein Naturrecht gelten ließen und in ihren Schriften die persönliche Freiheit zelebrierten, kamen sie am Ende darauf zurück, dass diese Freiheit bei den Bedürfnissen der Gesellschaft enden muss – so dass die Allgemeinheit dann wieder die Freiheit für alle bestimmt. Jeremy Bentham lehnte die Idee von Naturrechten ab. Natürliche und unantastbare Rechte seinen rhetorischer Unsinn, „nonsense upon stilts”, wie er in seiner Kritik an der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der französischen Nationalversammlung 1789 schrieb:
„So-called moral and natural rights are mischievous fictions and anarchical fallacies that encourage civil unrest, disobedience and resistance to laws, and revolution against established governments. Only political rights, those positive rights established and enforced by government, have “any determinate and intelligible meaning.” Rights are “the fruits of the law, and of the law alone. There are no rights without law—no rights contrary to the law—no rights anterior to the law.”
Innerhalb der theologischen Philosophie streitet man sich darüber, ob „Gott den Menschen die Freiheit mit einem freien Willen übertrug“, oder ob „alles was im Universum geschieht, durch Gottes Willen deterministisch geregelt ist.“ Nach William James sei die Freiheit des Determinismus (den er selbst ablehnte) nichts anderes als „…die verstandene Notwendigkeit sich der Knechtschaft des Höchsten zu unterwerfen…“ Wie auch Immanuel Kant, nannte er den sogenannten „weichen Determinismus“, oder Kompatibilismus, von Hume und Hobbes und deren Idee, dass „freier Wille einfach die Freiheit von äußerlichem Zwang“ sei, eine „elende Ausflucht“.
Wir müssen die Erkenntnis gewinnen, was uns die Unterschiede, sowohl als auch die Zusammenhänge, der Begriffe Freiheit und Demokratie bedeuten – und in richtiger Weise auf die staatlichen Strukturen anwenden, durch die unsere Interessen korrekt vertreten werden können. Dabei sollten wir stets daran denken, dass es nicht darum geht, die gleichen Ansichten einer Mehrheit zu erzielen, sondern darum, die gleichberechtigten Ansichten unterschiedlicher Gruppen zur Stärkung der Gesellschaft zu nutzen. Wenn wir keine abweichenden Haltungen unter den Gruppen im eigenen Volk respektieren, wie sollten die Deutschen Toleranz gegenüber anderen Kulturen zeigen? Natürlich setzt dies voraus, dass in in der Politik, Erziehung und Bildung die Tugend der Vernunft wieder ihren berechtigten Platz einnehmen kann und die Ideologie und Demagogie des Irrationalismus sich langsam aber sicher in allen bürgerlichen Bereichen auflöst. Nochmals: das bedeutet, dass die Parteien und Strömungen, deren Leitsätze und Ideale nicht auf rationalen – und dadurch ethischen – Prämissen stehen, sondern nur auf Begriffen des „Guten“, und auf Emotionen und Glauben beruhen, dass diese ihren natürlichen Zerfall erfahren.
Die Erkenntnis, dass es keine absolute Freiheit geben kann, ist eine allgemein verstandene. Daraus folgt aber auch, dass Freiheit kein Basisrecht sein kann, weil relative Rechte keine Basisrechte sein können. Ebenso folgt daraus, dass, wenn wir auch nicht täglich um unser Leben und körperliche Unversehrtheit kämpfen müssen, so doch aber um unsere Freiheitsrechte.
Freiheit ist ein Sammelbegriff für eine Summe von Freiheiten, aber immer innerhalb einer Gruppe, Klan oder Gesellschaft. So schrieb Rousseau unter anderem: „Einzelne, die im Einklang mit der Gesellschaft leben sind frei (gegen dieses Prinzip seien nur Kriminelle, Ketzer und Irre)…Einzelne können nicht frei sein, außer als ein Teil einer Gruppe.“ Rousseau war ein Vertreter der Idee des „Gesellschaftsvertrags“; er sah das natürliche Gute im Menschen und entdeckte das Privateigentum als Ursache für den Verlust der Freiheit. Rousseau zählt zu den ersten Philosophen des Irrationalismus.*)
Wenn der Mensch also nur in der Gesellschaft frei sein kann, dann ist die staatliche Struktur dieser Gesellschaft von äußerster Wichtigkeit für die persönliche Freiheit. Die deutsche Form der Demokratie beschert ihren Bürgern viele Freiheiten, besonders die Technologien geben uns das Gefühl immer neue Dinge unternehmen zu können und eine der beliebtesten Freiheiten der Deutschen, mit Vollgas durch die Republik zu rasen, bleibt vorerst erhalten. Vergessen sollten die Bürger dabei nicht die Anzahl an Freiheiten, die das Volk nie genossen hat, oder die ihm – zum Teil stillschweigend – wieder entzogen wurden, oder für alle praktischen Zwecke (durch gesetzliche oder soziale Einschränkungen) nicht ausgeübt werden können. In einem generellen politischen Irrationalismus wird es schwer die notwendigen Freiheiten von den überflüssigen zu unterscheiden. Nietzsche schrieb dazu:
„Seine notwendigen Bedürfnisse so viel wie möglich selber befriedigen, wenn auch unvollkommen, das ist die Richtung auf Freiheit von Geist und Person. Viele, auch überflüssige Bedürfnisse sich befriedigen zu lassen, und so vollkommen als möglich, – erzieht zur Unfreiheit.“
(aus „Menschliches, Allzumenschliches“, 1886, Zweiter Band)
Nur die Vernunft und der Verstand können uns dazu führen, damit wir uns für die richtigen Freiheiten zu entscheiden – und von der Regierung fordern. Wenn der Mensch rational handelt, gewinnt die Freiheit – wenn der Mensch frei ist, gewinnt die Vernunft! Ihre Gegenspieler sind der Glaube, die Gewalt und die Ideologie des Altruismus.
*) J.H.W. Rosteutscher, „Die Wiederkunft des Dionysos“, A. Franke, 1947
Hat dies auf zeitdiagnosen rebloggt und kommentierte:
Aufmerksame Leser werden bemerkt haben, dass ich selten Artikel aus dem Netz „reblogge“. Mein Leserkreis ist bekanntlich nicht so groß, dass ich damit fähig wäre, den von „alphachamber“ wesentlich zu erweitern; seine und meine Leserschaft zu bereichern, wäre genug.
Lieber Herr Dr. Schrittwieser,
Die Größe der Leserschaft besagt wenig über den Inhalt eines Artikels (siehe Boulevard Presse). Ihr Urteil ist uns wichtig und willkommen.
Herzliche Grüße zurück.
Weil der Text gar so gut auch zu „meiner Linie“ passt, habe ich mir die Freiheit des „Rebloggens“ erlaubt. Mit besten Grüßen WS
Wir freuen uns darüber und bedanken uns.
Pingback: Freiheit im Irrationalismus | per5pektivenwechsel
„Nur die Vernunft und der Verstand können uns dazu führen, damit wir uns für die richtigen Freiheiten zu entscheiden – und von der Regierung fordern. Wenn der Mensch rational handelt, gewinnt die Freiheit – wenn der Mensch frei ist, gewinnt die Vernunft! Ihre Gegenspieler sind der Glaube, die Gewalt und die Ideologie des Altruismus.“
Genau das.
ein schöner artikel.
bei dem begriff freiheit asoziiere ich gerne den fußgängerverkehr.
es ist nicht geregelt, daß der fußgänger rechts zu gehen habe. trotzdem tun das die meisten menschen. das ist vernünftig , denn so vermeidet man unnötige reibungen.
immer wieder begegnet man aber – und zunehmend öfter – „freien“, die außerhalb der gewohnheiten links gehen. ein recht, das den „freien“ frei zusteht.
nun kommt es zum jeweiligen „aushandeln“, welcher freie welchem freien ausweicht. ein psychospiel. mühsam und belästigend, selbst wenn man ziemlich stur ist.
vermutlich entsteht aus solchen kleinen dingen des alltags der wunsch nach diktatur und shariah.
Hallo Vitzli,
Das haben Sie gut erkannt. In Hong Kong z.B., dauerte es 100 Jahre, bis die Leute hier lernten sich anzustellen und auf Rolltreppen rechts zu stehen, und Eilige links vorbei laufen – was die Deutschen bis heute nicht praktizieren. Ansonsten ist es auf den Straßen hier ein regelloses Gewimmel.
Alpha, ich würde das als unbedeutende Übung abtun, wenn es nicht symptomatisch wäre.
Den Deutschen Geist mit jüdischer Philosophie erklären zu wollen. Und ihn damit der Dichotomie zu verdächtigen. Welches ausdrücklich kein Deutsches Wort ist und somit auch keinen Deutschen Geist enthält. Um damit etwas zu implizieren, was es im Deutschen Geist tatsächlich nicht gibt = nämlich Zweiteilung. DIE hätten das gerne. Der Deutsche denkt und handelt einteilig und er spricht wie er denkt und er spricht wie er schreibt. Das ist eine einmalige Übereinstimmung, die im jüdischen Kosmos – und Philosophie ist virtueller jüdischer Kosmos- nicht vorkommen darf. Wie gesagt, unbedeutend und unerheblich. Was stört es die Deutsche Eiche , wenn ein jüdischer Philosoph sich an ihr reibt? Nur sind alle Schlußfolgerung daraus falsch, sie beschreiben nur die Wirkung der jüdischen Welt, nicht den Deutschen Geist.
“ Nur die Vernunft und der Verstand können uns dazu führen, damit wir uns für die richtigen Freiheiten zu entscheiden – und von der Regierung fordern.“
Dieser zusammenfassende Satz macht offenbar, welcher Geist drinnen steckt = Vernunft und Verstand und Regierung sind Garanten der Freiheit. Das könnte jeder Hühnerzüchter unterschreiben. Regierung ist aber das Gegenteil von persönlicher Freiheit, es ist die Anerkennung der Unterwerfung. Das mag opportun sein, es erleichert das Ertragen der faktischen Realität, es bleibt Hühnerhof-Mentalität. Einer der wirklich großen Deutschen Geister fasst es so =
“ Was ist die Mehrheit? Mehrheit ist der Unsinn, Verstand ist stets bei wen’gen nur gewesen. Bekümmert sich ums Ganze, wer nicht hat? Hat der Bettler eine Freiheit, eine Wahl? Er muß dem Mächtigen, der ihn bezahlt, um Brot und Stiefel seine Stimm’ verkaufen.
Man soll die Stimmen wägen und nicht zählen; der Staat muß untergehn, früh oder spät,
wo Mehrheit siegt und Unverstand entscheidet.” ( Schiller)
„Die Majorität kann auch hier den Mann niemals ersetzen. Sie ist nicht nur immer eine Vertreterin der Dummheit, sondern auch der Feigheit. Und so wenig hundert Hohlköpfe einen Weisen ergeben, so wenig kommt aus hundert Feiglingen ein heldenhafter Entschluß.“ ( Ungenannt, weil von der Regierung verboten)
Frankstein,
Danke für Ihren Kommentar. Scheinbar wurden Sie zum geistigen Gefangenen Ihrer Judenkiste. Dichotomie kommt aus dem Griechischen, wie ein großer Teil der deutschen Sprache. (Altgermanisch versteht heute nicht einmal mehr die Sprachforschung in Gänze.) Ihre Behauptungen über Geist und Sprache sind kulturell wie linguistisch ungelehrt. Dichotomie war/ist ein Hauptthema der Philosophie seit es sie gibt und Kant (kein Jude) hat sie festgeschrieben für die geistige Zukunft der Deutschen – anders als im angelsächsischen Denken, z.B. eines John Locke. „Unser Goethe“ behandelt sie z.B. in „Faust“. In unserem Essay haben wir uns keineswegs auf jüdische Philosophie bezogen – wie kommen Sie darauf? Adorno, Horkheimer, Fromm, Arendt lehnen wir ab, dagegen gibt es kaum jemand der „deutscher“ schrieb als z.B. Heinrich Heine“. Bei Wittgenstein, ein geistiger Riese, handelt nichts von Dichotomie, dafür erklärte er die Gewissheit; keine „jüdische“ Gewissheit, sondern eine allgemein-gültige. Ein rein deutsches Gedankengut – überhaupt ein reines völkisches Gedankengut – ist in Europa unmöglich.
Durch Ihre teutonisch-dogmatische Haltung haben Sie auch das Zitat völlig missverstanden. Wir sind keine Anarchisten und setzen eine legitime Regierung voraus (wenn auch ein Minimalstaat, doch aber eine Regierung). Dass es mit Vernunft und Verstand bei Ihren „Hühnerzüchtern“ eben doch mangelt, sehen Sie an den politischen Zuständen. Denken Sie wirklich, dass persönliche Ignoranz und Mediengläubigkeit das alleinige Werk der Unsichtbaren sei? Den „deutschen Geist“ retten Sie nicht mehr; die Vernunft jedoch, ist in jedem gesunden Menschen inne – er muss sie nur gebrauchen.
HG