CHAOS SCHLÄGT ORDNUNG

Nach der üblichen Polit-Reaktion von Thomas de Maizière zur Bildung einer neuen Sondereinheit gegen terroristische Bedrohungen, aber auch bei dem Ruf für generell mehr landesweite Polizeibeamte und Ausrüstung, zweifelt der Durchschnittsbürger an Sinn und Effizienz dieses Aufwands. Die Probleme des Staates sind nicht gleich denen ihrer Bürger. Ein System wirft keine Frage auf, deren Beantwortung es selbst in Frage stellt. Kausalitäten bleiben unerkannt, systematische Lösungsanalysen werden durch staatliche Vorzeige- maßnahmen verhindert, die sich nicht einmal zur Symptombekämpfung eignen. Wie politische Vorgaben und bürokratische Strukturen die Grenzen und Möglichkeiten der Inneren Sicherheit inherent festlegen, lesen Sie hier:

Prinzipielle Aufgabe eines Staats – und Grund für sein Bestehen – ist die Sicherheit seiner Mitglieder. Ohne Kontrolle über seine Bürger ist ein Staat unwirksam; dazu muss er seine Untertanen ‚lesbar‘ machen (wie es der Politolge James Scott treffend beschrieb). Der Aufwand für diese Erfassung erhöht sich überproportional mit zunehmender Komplexität der sozialen Zusammen- setzung seiner Bewohner. Basisdaten z.B. der Steuerbehörden, Rentenversicherungen, Krankenkassen, usw., werden seit Beginn der Republik effektiv gesammelt und verwaltet. Demokratien verlangen aber die isolierte Behandlung von polizeilichen, und strafrechtlichen Informationen über ihre Bürger. Die Folge ist eine Vervielfachung des Verwaltungsaufwands, besonders wenn Datenschutz die Informations-Bereiche eng begrenzt und isoliert – das Hauptargument der Überwachungs-Fanatiker.

Die ersten Probleme wachsen aus der Entscheidung der BRD-Gesellschaft für eine pluralistische, parlament- arische Demokratie, offene Grenzen innerhalb polarisierter Kulturbereiche, Währungsunion und einer liberalen Einwanderungs-und Asylpolitik. Dazu kommen politisch-motivierte Programme, wie Förderung von Minderheiten, Aktivisten und Wählergruppen. Die letzten selbsterrichteten Barrieren entstehen aus staatlich verordnetem Genderismus, Quoten und Gleichstellung. Dazu mehr weiter unten.

Sicherheit vor Verbrechen ist – im Gegensatz zu Sicherheit vor Unfällen – niemals eine statische Entität, sondern dynamisch und in stetigem Flux. Sicherheit ist ein gesellschaftliches Produkt. Durch Erfahrungswerte, gesammelte Verhaltensmuster, psychologisch-anthropologische Studien und Profiling lässt sich der Grad einer Sicherheitslage recht genau ermessen. Allerdings nur innerhalb einer bestimmten geographischen und demographischen Situation. Kleinste Änderungen und Verschiebungen erfordern laufend neue Bewertungen. Problem-Multikatoren für die Sicherheits-Situation entstehen durch Einbeziehung von unbestimmten, unsichtbaren aber ebenso flüchtigen Elementen wie illegale Immigration, Ideenfluß im Netz, Resultate sozialer Verschiebungen durch staatlichen Interventionen und neuen Rechtslagen. Dies ist die normale, alltägliche Ausgangssituation unserer Gesellschaft. Dazu kommt (und wohl nicht zuletzt) die relativ moderne Form des Terrorismus von außen, sowie von innen.

Diese ständig fließende, chamäleonartige und schwer berechenbare, latente Sicherheitslage – die nicht einmal bei sekundenbruchteiliger Belichtung ein klares Bild ergäbe – stößt auf eine rigide, von oben befohlene Amtsbürokratie. Auf der einen Seite: Aggregation menschlicher Intelligenz, emotionelle Unberechenbar- keit, ungezügelte Aggressivität, endlose Wandlungsfähig- keit und ungehinderte Mobilität. Auf der Gegenseite: Aus politischen Erwägungen geschaffene ‚mechanische‘ Strukturen mit den Genen konservativer Behördenkultur.

Maßgebend für die Sicherheit der Bürger, ist die Verhinderung von Straftaten, weniger deren nach- träglichen Verwaltung und juristischen Nachbehandlung. Eine Behörde jedoch, gleicht einer Maschine, deren Teile zwar von Menschen bewegt werden, deren Leistung, Arbeitsweise und Prozesse aber von ihren politischen Erbauern vorgegeben ist. Selbst im Kampf gegen das Verbrechen bestimmen oft nicht objektive Eignung und Fähigkeiten über die optimale Besetzung von Positionen und Vorgehensweisen. Politische Erwägungen fließen in Personalentscheidungen und Arbeitsschemen: Quoten, Gleichstellungszwänge, Rang, Einfluss und das gesamte Spektrum politischer Korrektheit. Solche bürokratischen Strukturen vernichten die Vorteile einer optimalen Kombination der Talente seiner vielen menschlichen Akteure – nur ein Bruchteil der potentiellen Leistung eines beteiligten Individuums kommt dem Gesamtziel der Organisation zugute – der Rest der Energien verteilt sich auf unproduktive Aktivitäten, wie persönliche Interessen, Verwaltung, Anpassung, Protokoll, Imagepflege, Beschönigungen, usw. Gegen eine buntgewürfelte, beamtete, unterschiedlich interessierte und demographisch bestimmte Personalmischung, deren Handlungen von rechtstaatlichen Prinzipien begrenzt sind, steht die mentale und körperliche Einheit eines hoch-motivierten einzelnen Terroristen; mit seiner Überzeugung und aggressiven Konzentration auf ein Ziel für das er bereit ist, rücksichtslos zu morden oder sich selbst zu opfern.

Nehmen wir an, es wäre Ihre Aufgabe einen Kristallwarenladen gegen Hooligans zu schützen. Sie haben die Möglichkeit das Geschäft zu schließen und die Stahlrollos runterzulassen; der einzige Bruch der jetzt noch passieren könnte, wäre durch die Ungeschick- lichkeit des Personals. Bleibt der Laden aber geöffnet, genügte ein einzelner rücksichtsloser Täter um nennenswerten Schaden anzurichten -egal, ob an jeder Vitrine ein Wachmann steht oder nicht. Für effektiven Schutz kann nur außerhalb des Ladens gesorgt werden. Menschen innerhalb eines Sicherheitsbereichs sind auf reine Verteidigungsmaßnahmen limitiert. Dazu kommt der Nachteil des Prinzips „Aktion schlägt Reaktion“.

Die Unfähigkeit demokratischer Regierungen auf dem Gebiet der Inneren Sicherheit und des Terrorismus ergibt sich, paradoxerweise, aus den Bestrebungen, ostentativ rechtsstaatlich zu handeln. In den 60/70er Jahren brachte die RAF, eine kleine Gruppe Anarchisten – mit Sympathisanten aus der linken APO – die noch junge Republik an den Rand des Ausnahmezustandes. Der Anschlag auf die Olympischen Spielen 1972 in München durch das palestinensische Terrorkommando ‚Schwarzer September‘ bedeutete das Ende der klassischen ‚Räuber-und-Gendarm‘ Tradition und der nachbarliche Schupo mutierte schließlich zum ‚Robocop‘. Der Staat als Gesamtinstitution war herausgefordert. Die Bundeswehr war durch Gesetz, Ausbildung und Mittel streng von zivilen Aufgaben isoliert und die Exekutiv-Organe so überfordert wie ein Heißluft-Ballon gegen einen Kampfjet.

Das Wettrüsten um die Innere Sicherheit begann mit der Gründung des GSG9 (Grenzschutzgruppe 9), der ersten deutschen Anti-Terroreinheit (nach dem Model der schon legendären britischen SAS). Die Anfangserfolge der GSG9 – wie die spektakuläre Befreiung 1977 der LH181 in Mogadischu – wurden ermöglicht durch außergewöhn- lich unbürokratische Beschlüsse des Kanzleramtes für den raschen Aufbau dieser Einheit unter dem direkten Befehl des BG Offiziers Ulrich Wegener. Die relative Autonomie seiner neuen Einheit, freie Hand in Personalwahl und Training, Aufbau und nahezu unlimitierte Mittel, ohne politische Vorgaben oder Gängelung durch etablierte Behörden resultieren in einer bisher unbekannten Schlagkraft. Danach wurde die GSG9 Opfer ihrer Erfolge: Durch Expansion, Erweiterung der Aufgaben, parlamentarischer Kontrollen und gestiegenem Verwaltungsaufwand, erstarrte die Einheit in ähnliche bürokratische Strukturen wie andere Bundesbehörden. Behinderungen durch Parteienzank, Zuständigkeitskämpfe mit dem jüngeren KSK der Bundeswehr, den SEKs und neuen geplanten Einheiten dämpfen weiterhin die Effektivität des GSG9.

Erhöht sich die Verbrechensrate, dann fällt es jeder Polit-Figur am einfachsten, mehr Personal und Ausrüstung zu fordern. In einer wohl-regierten Republik ist Kriminalität in erster Linie ein Qualitätsproblem der Führung, weniger eine Frage der Häufigkeit von Straftaten. Beispielsweise ‚qualifizieren‘ sich Polizisten im Umgang mit ihren Dienstwaffen durch 2 Trainings- einheiten pro Jahr auf dem Schießstand, oft mit nicht mehr als ein paar Dutzend Patronen pro Nase. Zum Vergleich feuern Sportschützen, zur Vorbereitung auf Wettkämpfe, in ihren Vereinen zweimal pro Woche aus mehreren Waffentypen, und nicht selten 500 Schuss und mehr am Tag. Stadt- und Landespolizei kümmern sich da lieber um einträgliche Verkehrsdelikte: Parksünder, Radarfallen und Radfahrer ohne Rückleuchte machen sich gut in der Statistik der Dienststellen. Massenweise Strafzettel anstelle Aufklärung von Einbrüchen, hochgerüstete Einsatzkräfte in schusssicheren Westen eilen zu Schlägereien, ermitteln in Beleidigungsklagen, schlichten Ehestreits oder verhaften wehrhafte Omas.

Keiner Zahl von Mitarbeitern gelingt es ‚Leben‘ in die künstlichen, geist- und seelenlosen Monolithe der Behörden, Ämter und Bürokratien zu hauchen. Sie diktiern und kontrollieren die Handlungen ihrer menschlichen Komponenten. Kreativität, Genialität und Mobilität sind dem Individuum vorbehalten, dem Verbrecher und Terrorist. Ein Versagen per se gibt es für ihn nicht. Seine dilettantischste Aktion, oder nur ein Anruf für 25 cent, vermag ein Land in Angst und Schrecken zu versetzen und die Sicherheitsorgane zu Millionen-teuren Einsätzen zu zwingen. Ein primitiver Sprengkörper vom Baumarkt, oder ein paar Fanatiker mit Teppichmessern verändern unsere Lebensweise für immer. Denken Sie an das einfache Beispiel unserer Kristallwarenhandlung: Die ‚Beschützer‘ müssen den Laden offenhalten, Schäden verhindern und dürfen dabei echte Kunden nicht vergraulen – unter Beachtung eines voluminösen Regelwerks und Rechtfertigung jeden Wortes und jeder Handlung. Für die meisten Beamte ist es ein Job – für den Terrorist sein Lebenswerk.
Terrorismus und Verbrechen lassen sich effektiv bekämpfen, wenn wir verstehen, dass man Chaos nicht mit Strukturen unterdrücken kann und dass ein entschlossenes und fähiges menschliches Gehirn sich durch keinen Apparat bezwingen lässt. Behörden bekommen ihre Chance meist erst, wenn die Kriminellen sich zu ebenso großen, trägen und berechenbaren Organisationen zusammenschließen. Dann ziehen die Gegner gleich. Wollen Sie so lange warten?

[Siehe auch: https://huaxinghui.wordpress.com/2013/01/08/der-dominanz-effekt/%5D

7 Gedanken zu „CHAOS SCHLÄGT ORDNUNG

  1. Der Artikel enthält einige richtige Gedanken, ist aber nicht präzise genug.
    „Prinzipielle Aufgabe eines Staats – und Grund für sein Bestehen – ist die Sicherheit seiner Mitglieder.“ Und zwar die ÄUSSERE Sicherheit. Klingt im Text an, ist aber als DAS Prinzip besonders hervorzuheben. Diese gehört NICHT zur Staatsräson der BRD, daher erübrigt sich die Frage, ob die BRD ein Staat ist. Alle geschilderten Probleme ergeben sich aus dieser Negierung. Die innere Sicherheit bedingt die äußere , Zoll- und Finanzhoheit ergänzen beide. Äußere und innere Sicherheit bedingen nachgeordnet auch Sicherung der Energieversorgung und bezahlbare Infrastruktur. Außer dem Themenkomplex der inneren Sicherheit , sieht sich die BRD in keinem Staatsprinzip in der Pflicht. Das ist die Sicht einer Ordnungsbehörde für ein eingegrenztes Betätigungsfeld. Die äußere Sicherheit ist per Erlass ( der Sieger) erklärt. Die Zollhoheit per Dekret der EU-Behörden abgeschafft, die Finanzhoheit mehrheitlich an eine Nicht-Regierungs-Organisation abgetreten. Die Energieversorgung wurde bereits dem Markt und den Banken überschrieben, die Aufrechterhaltung der Infrastruktur ( Wohnungsbau) obliegt den Banken und ausländischen Pensionsfonds, Straßen und öffentlicher Nahverkehr sind und werden an europäische Staatsunternehmen übergeben. Rohstoff-Förderung ( bis auf die Ausnahme Braunkohle) findet auf dem Gebiet der BRD nicht mehr statt. Die BRD-Regierung ist eine Nachlassverwaltung und wird nach getaner Arbeit bald aufgelöst. Der Streit um die innere Sicherheit ist ein Fake, vergleichbar mit der Erörterung, wie häufig die Zellen unangemeldet zu kontrollieren sind. Wobei die Kosten-Nutzen-Erwägung im Vordergrund steht.

  2. Ist die Polizei, sind die Behörden tatsächlich dazu da um Verbrechen zu verhindern? Das würde dann einen Polizeistaat rechtfertigen. Stichwort: „Supergrundrecht Sicherheit“ – das nirgends in der Verfassung oder im Strafrecht zu finden ist, aber von Politikern als Rechtfertigung für ihre Verfassungsbrüche herangezogen wird.

    Oder ist die Polizei primär dazu da Strafverfolgung zu betreiben? (Das ist mein Verständnis der FDGO).

    Um es mit Albert Schweitzer zu sagen:

    Ich will unter keinen Umständen ein Allerweltsmensch sein. Ich habe ein Recht darauf, aus dem Rahmen zu fallen – wenn ich es kann. Ich wünsche mir Chancen, nicht Sicherheiten. Ich will kein ausgehaltener Bürger sein, gedemütigt und abgestumpft, weil der Staat für mich sorgt. Ich will dem Risiko begegnen, mich nach etwas sehnen und es verwirklichen, Schiffbruch erleiden und Erfolg haben. Ich lehne es ab, mir den eignen Antrieb mit einem Trinkgeld abkaufen zu lassen. Lieber will ich den Schwierigkeiten des Lebens entgegentreten, als ein gesichertes Dasein führen; lieber die gespannte Erregung des eigenen Erfolgs als die dumpfe Ruhe Utopiens. Ich will weder meine Freiheit gegen Wohltaten hergeben noch meine Menschenwürde gegen milde Gaben. Ich habe gelernt, selbst für mich zu denken und zu handeln, der Welt gerade ins Gesicht zu sehen und zu bekennen: dies ist mein Werk. Das alles ist gemeint, wenn ich sage: Ich bin ein freier Mensch.

    Leider scheinen die meisten Menschen nicht „frei sein“ zu wollen. Sie arrangieren sich mit ihren immer enger werdenden Käfigen. So lange es genügend Unterhaltung und Ablenkung gibt, bewegen sie sich nicht. Das System „Brot und Spiele“ funktioniert. Aber wie lange noch?

    Etwas anderes ist der Schutz vor äußeren Aggressoren. Ein Einzelner kann nicht gegen eine Gruppe bestehen. Deshalb schließt man sich zusammen. Aber wenn dieser Zusammenschluß dann ein Eigenleben entwickelt, wird es schwierig.

    • Vielen Dank für Ihren geschätzten Kommentar.
      Man unterscheide zunächst die elementaren Gründe für die Entstehung eines Staates im anthropologischen Sinn: Sicherheit und Rechtssprechung. Die Polizei ist dann eines der Exekutiv-Organe. Das Konzept hinter dieser Institution war in der Tat die Verhinderung von Straftaten (siehe die Tradition der Sheriffs, der Schupos der Streifen, etc.) Das hat sich über die Zeit geändert. Die US Polizei ist offiziell nciht mehr für den Schutz des „einzelnen Bürgers“ verantwortlich. Die Polizei vertritt natürlich den Staat als Arbeitgeber und fühlt sich nicht (mehr) als „treuer Diener“ der Gesellschaft.
      Grüße

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