MANDAT DES HIMMELS

Die Herrscher der chinesischen Kaiserreiche ermächtigten sich generell mit Gewalt oder durch Intrigen. Später wurden sie auch im frühen Kindesalter durch trickreiche und rücksichtslose Manöver ihrer Verwandten oder einflussreichen Höflinge auf den Thron manipuliert (traditionelle Erbfolge per se gab es nicht). In der ca. 5000 jährigen Geschichte herrschten “gute Kaiser” und “schlechte Kaiser” (good emperor and bad emperor). Alle bezogen sie ihre universelle und absolute Macht aus dem “Mandat des Himmels” (mandate of heaven) und somit hatte China stets mit dem Problem des “schlechten Kaisers” zu ringen: Wenn der Himmel den Herrscher ermächtigt – dann wer kann einen ausufernden Missbrauch einer himmlischen Macht brechen? Antwort: Der Himmel selbst (jedenfalls bis zum Sieg Mao Tse-tungs).

Obwohl also dieser umfassende und anmaßende Anspruch auf die kosmische Berufung scheinbar unendlichen Handlungsspielraum verhieß, war er mitnichten grenzenlos. Totale Missachtung konfuzianischer Moral und krasses Übertreten protokollarischer Traditionen endete oft mit dem Verlust des himmlischen Mandats. Dem Kaiser oder der Kaiserin blieb nur das Exil, ein erzwungener, phantasievoller Suizid, oder sie wurden Opfer raffinierter Attentate. Irdische Wächter über die Grenzen der kosmischen Gunst waren die imperialen Vertrauten, Berater, Minister, einflussreiche Eunuchen oder Militärkommandeure, deren Truppen aus den Familien der gebeutelten Landbevölkerung stammten.

Die meisten – offiziellen – Anlässe für Palast-Revolten oder Aufstände lieferten Bedrohungen fremder Invasoren und interne Maßnahmen, welche das Volk über-besteuerten oder in die traditionellen Familienstrukturen griffen. Es brauchte dann nur eine kritische Masse aus der Bürgerschaft oder öffentliche Mahnung angesehener Persönlichkeiten, um das kaiserliche Mandat ins Wanken zu bringen. Frühzeitige Warnungen (außerhalb und innerhalb der “Verbotenen Stadt”) gab es in der Regel zur Genüge. Die meisten Herrscher entthronten sich selbst durch fahrlässige Überschätzung ihrer Macht und des himmlischen Wohlwollens.

Wie kam ich doch jetzt gleich von meinen Gedanken über Deutschland, auf das Chinesische Kaiserreich? Ach ja – auch die irdischen “demokratischen” Strukturen werden das “Mandat des Himmels” für unsere Kaiserin und ihre Regierung nicht grenzenlos erweitern…

15 Gedanken zu „MANDAT DES HIMMELS

  1. werter alpha,

    wir stritten seinerzeit ein wenig über die machtverhältnisse der 4000/1000/40 in asien. ich kam nicht umhin, Ihnen nach dem erfreulichen denkanstoß weitestgehend recht zu geben und den (asienbezogenen) rein temporär zu betrachtenden fehler in meinem formal unachtsam zu weit gefassten konstrukt zu ermitteln. (eigentlich hatte ich nur den westen gemeint und auch nur den beachtet)

    der obige artikel geht allerdings bei aller früheren einsicht meinerseits wieder in meine richtung: die altehrwürdigen traditionen gelten nicht mehr viel und mao´s system wurde von den sonderwirtschaftszonen (inkl. kapitalmarktöffnung) bezwungen.

    sind das nicht bereits die anfänge der übernahme durch die 1000/40 (in japan ist man ohnehin schon weiter). in den nächsten Jahrzehnten? (wenn es sich dann lohnt!).

    womit ich in keiner weise die absicht des artikels ankratzen will, die parallele der chinesischen herrscher und deren untergänge zu den bundesdeutschen verhältnissen darzustellen. ich glaube nur, daß die alten regeln nicht mehr gelten. auch nicht die des untergangs einer (chinesischen) regierung oder des kaisers.

    mao siegte, weil die menschen hungerten. die heutige herrscher haben gelernt. und – zumindest im reich merkels – hartz 4 erfunden. wenn die untertanen im kaiserreich merkels einen aufstand wagen, dann nehmen sie den kugelschreiber und malen ihr kreuzchen folgenlos woanders hin. ohne bundesknurren in den mägen bleiben die guillotinen in den museen.

    grüße nach dem kontinent, der es noch vor sich hat 🙂

    vitzli

    • Vitzli,
      1. Keine Sorge, Ihre Kommentare sind stets interessant, intelligent und hoch-willkommen.

      2. Die jügere Geschichte Chinas ist äusserst komplex. Ich wollte den Text kurz halten, um bei dem Leser einen Impact zu erreichen. Maos Erscheinung basierte nicht einfach auf materiellem Mangel (den er selbst nur verstärkte). Es war die Kolonialherschaft der Europäer, dann Japans, und schließlich der innere Kampf der Statthalter (Chiang Kai-shek) und viele andere Faktoren. Eine Planung dieser Ereignisse war schlicht unmöglich; selbst Beeinflussung klappte kaum im Strom der erzwungenen Umstände. Sämtliche Wetten auf die Zukunft Chinas haben sich als Nieten erwiesen.
      Beste Grusse

      • hi alpha,

        ich wollte nicht andeuten, daß maos revolution ( maßgeblich) gesteuert war. die von Ihnen angerissenen zusammenhänge teile ich.

        aber Sie argumentierten damals gegen meine 4000/1000 – überlegungen von der Herrschaft (völlig berechtigt) , daß in asien die uhren anders ticken, so daß meine unsichtbaren da nichts groß steuern können.

        mit maos ablösung der alten kaiser-hierarchien begann meiner meinung nach ein austausch der alten chinesischen „kulturregeln“, eine mögliche sollbruchstelle, die nun mit den sonderwirtschaftszonen NEUEN regeln folgt, die mit den altehrwürdigen asiatischen „kulturregeln“ nicht mehr so viel zu tun haben.

        Sie argumentierten ganz richtig, daß die unsichtbaren in asien wegen der dort geltenden kultur wenig chancen hätten. ich rettete mich mit dem argument: „noch“. (in japan ist der einfluss durch die ausländischen firmenbeteiligungen bereits erheblich, wenn ich mich nicht irre – ich habe es nicht überprüft, nehme es einfach mal an).

        Sie schreiben:

        „Die meisten – offiziellen – Anlässe für Palast-Revolten oder Aufstände lieferten Bedrohungen fremder Invasoren und interne Maßnahmen, welche das Volk über-besteuerten oder in die traditionellen Familienstrukturen griffen. Es brauchte dann nur eine kritische Masse aus der Bürgerschaft oder öffentliche Mahnung angesehener Persönlichkeiten, um das kaiserliche Mandat ins Wanken zu bringen. “

        deswegen empfinde ich die neuere, eher ungestörte einfuhr fremden kapitals und beteiligungen (zb in „sonderwirtschaftszonen“) als beginn der entwicklung, die ich für europa/usa als bereits erfolgte und weitgehend abgeschlossene machtübernahme ansehe. denn die bedrohung durch fremde (kapital-) invasoren wird eben auch in der asiatisch/chinesischen kultur NICHT MEHR als solche gesehen.

        in diesem sinne:

        beste grüße

        (nach der einnahme einer überdosis weihnachtsgans. mit klößen und Rotkraut)

      • Nun ja, Dinge entwickeln sich schon. Nehmen wir einmal Japan (ein Land über das der Westen erheblich mehr Wissen und praktische Kontakte hat). Die soziale Struktur in den Städten ist scheinbar eine Kopie New Yorks, oder Frankfurts. Der kleinste Kratzer an dieser Makulatur der Moderne – und Sie befinden sich im 18/19. Jahrh., auf allen Ebenen. Asien muss natürlich seine „Stecker so anpassen, dass sie in die westlichen Steckdosen passen und der Strom fließt“, aber auf die angeschlossenen Geräte haben die 4000 noch lange keinen Einfluss – generell, sozusagen.
        1989 kam China verdammt nahe an ein Ende des himmlischen Mandats. es konnte nur mit größter militärischer Gewalt verhindert werden. Brutale Gewalt – der einzige Umbruchsfaktor in Asien. (Was gerade in Myanmar läuft ist ein „Ausnahmeextrem“. Es ist auch eine buddhistische Gesellschaft, keine konfuzianische.)
        P.S. Auf die Weihnachtsgans bin ich neidisch.
        Beste Grüße

  2. Dazu noch ein Beispiel: Es ist weitgehend unbekannt, dass Mao sich nach den US öffnen wollte, weil er dessen Stärke erkannte. Ein Treffen mit FDR wurde durch den Geheimdienst Chiang Kai-sheks hintertrieben. Wie würde die Welt heute aussehen?

    • das wundert mich nicht. stalin hat millionen ukrainischer bauern verhungern lassen, weil er deren ernte an den westen verkauft hat, um devisen für seine zwecke zu erlangen.

      sigmar gabriel hat vor nicht allzu langer zeit teile des volkes als „pack“ bezeichnet. vermutlich hat er die klassen verwechselt.

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