Es geht hier nicht um ein plötzliches Unglück, bei dem man in einem Krankenhaus aufwacht und darüber nachdenken kann, wie es passiert ist, vielleicht nach einem Verkehrsunfall oder erlittenem Trauma beim Sport.
Es geht um die – unerwartete, aber völlig bewusste – Erkenntnis, dass der sichere Tod nur eine Minute entfernt ist. Lange genug, für Selbstmitleid und Flüche, aber nicht lange genug, um sein Angelegenheiten in Ordnung zu bringen, für einen tröstenden Abschied.
Da kommt kein Adrenalinstoß, der übermenschliche Stärke verleiht, kein chaotischer Kampf, der alle Aufmerksamkeit auf das Überleben konzentriert. Wir sprechen hier von einem langsamen Spaziergang in die Arme des Todes – ohne Hintertür. Diese Situation empfinden vielleicht die Passagiere eines beschädigten Flugzeugs, Minuten vor dem Aufprall, oder ein Fallschirmspringer, dessen Schirm sich nicht öffnen will – in tausend Metern Höhe.
Ich habe Erfahrungen mit ähnlichen Situationen, z.B. beim Freifall-Absprung aus einem Hubschrauber über Kambodscha, während einer Notlandung bei starken cross-winds mit meiner Cessna 152 über Hongkong, oder an einem Seil hängend, unter einem Mi-7-Helikopter, der mit 300 Km/h über den asiatischen Dschungel fegte. In allen Fällen wurde ich durch eine Kombination aus Glück, Erfahrung und Disziplin gerettet. Was ich mit Sicherheit sagen kann ist, dass nicht mein Leben vor meinen Augen vorbeiflimmerte und dass ich nicht betete. Im Gegenteil, mein Geist war klar und für einen Moment durchkam mich Mitleid für meine geliebte Mutter. Über den Rest der kurzen Spanne verfluchte ich die Situation und dachte an einen Ausweg. Wiederum: kein mystisches „out-of-body experience“, kein geistiges Bild der Himmelspforte oder dem Höllenschlund; keine Engel, kein grelles Licht am Ende eines Tunnels.
1989 gab es einen australischen Kriegsfilm, in dem ein harter Sergeant vor der letzten Schlacht seine Motivation-Rede beginnt: „…there are no atheists in a combat situation…“ Ich sehe das anders. Wenn Sie Ihr Leben als vernünftiges Wesen verbrachten, warum würden Sie dann gerade kurz vor dem Tod Ihre menschlichen Eigenschaften verleugnen, indem Sie die Vernunft aufgeben? In lebensbedrohlichen Situationen profitieren Sie kaum von den wenigen natürlichen Instinkten, die Ihnen die Evolution noch hinterlassen hat. Sie werden alle Ihre Fähigkeiten, Erfahrungen und rationalen Verstand aufbringen müssen! Die Mobilisierung der erworbenen Fähigkeiten und der eigenen körperlichen Kräfte, erfordert Ihre tiefsten Kenntnisse und die maximale Leistung eines klaren Geistes. Dieser kostbare menschliche Geist, mit all seinen Sinnen, erreicht eine maximale Grenze, wo das Leben dem Tod entgegentritt. Es ergibt keinen Sinn oder Nutzen, nicht einmal Trost, das Leben als Idiot zu verlassen.
Bei einigen alten Kriegerklassen war es üblich, vor einer sicheren Niederlagen und der Gefahr in die Sklaverei zu geraten, den Selbstmord zu wählen. Diese Denkweise des Samurai reflektiert die elementarsten Attribute seiner Kultur, die ihn zu genau diesem beeindruckenden Kämpfer formten, und für die er respektiert wurde. Im Augenblick vor seinem Tod arbeitet der Verstand des Kriegers in seiner größten Effizienz und Klarheit, nicht durch Wut oder Verzweiflung, sondern durch souveräne Macht. Der bewusste Besitz des eigenen Geistes und Kontrolle über seinen Körper, ermöglicht es dem Menschen, als Mensch zu leben. Derjenige, der seine Vernunft – in jedem Stadium seines Lebens – dem Übernatürlichen überträgt, der verrät seinen Stamm und sein Universum.
D‘accord! Vollkommen!
Vielen Dank!
Der Samurai hatte eben keine Lust auf Samurai 4.
Danke fuer Ihren Kommentar, bin aber nicht sicher, wie er verstanden werden will: „Samurai 4.“?
Hat dies auf zeitdiagnosen rebloggt und kommentierte:
Alle diejenigen, die meinen Blog „zeitdiagnosen“ schon länger verfolgen, wissen, dass ich selten Beiträge aus anderen Blogs „reblogge“, weil in der Regel, auch wenn der Beitrag hervorragend geschrieben und gut durchdacht ist, sich doch der eine oder andere Gedanke findet, bei dem ich Einwände vorbringen würde, Nachfragen hätte. Kurz, es kommt selten vor, dass man den Eindruck hat, so hätte man den Text vielleicht selbst auch gerne geschrieben. Der nachfolgende Beitrag ist von der Sorte.
Vielen Dank fuer Ihren grosszuegigen Kommentar.
HG
Die Erwartung des Todes dürfte bei jedem unterschiedlich sein.
Ich weiß von Erzählungen meines Vaters, dass viele „Ungläubige“ im Trommelfeuer oder vor oder bei einem Großangriff der Roten Armee „katholisch“ wurden. Von 1000 Mann kamen nach 14 Tagen noch 21 aus dem Feuer. Wer weiß schon, wann oder ob er da nicht zu beten anfangen würde.
Ich habe z. B. bei dem Höhlenunglück der jungen Fußballer in Thailand für das Überleben der Buben aus tiefem Herzen gebetet.
Das liegt sicher bei jedem in seinem tiefen Inneren. Selbst „bete“ ich nicht. das soll man aber nicht mit „hoffen“ verwechseln. Beides ist menschlich, beides aendert aber nichts am Ausgang; hilft aber denen die es praktizieren.
HG
Der Geist im Stein
ist derselbe
Will er
fällt er
in seinen Kern
der Geschichte
der Zeit
im Universum
dem Traum
des Lebendigen
in sein Dingsein
zurück
Der Tod
als Beischläfer
egal was wir tun
wächst in
uns beim
Aufwachen
zur Geburt
Als Held oder
als Schwacher
findet er uns
wieder beim
letzten Atemzug
Nichts sind wir
der Seele
ihrem Leib
der Gefangenschaft
angelehnt
in unserem Körper
ihrem All Ein
ihrer alles
bewegender
Geistnatur
hgamma,
Danke für Ihren lyrischen Kommentar.
Mein herzliches Dankeschön. Ich wünsche Dir einen wunderbaren Tag.
… und für das Geschenk Ihrer wunderbaren Gedanken!
Feine Gedanken – meine dazu:
Über den Tod läßt sich nicht berichten – denn wer ihn erfahren hat, muß ihn nicht erlebt haben – und wer ihn erfahren und erlebt hat, bvraucht nicht mehr zu berichten – und vom Dritten weiß ich nichts.