Alte Kähne für Nationen

Die stets dringliche Frage jeder US-Regierung, nach Ende des brutalen Bürgerkriegs: „Wie zwingen wir andere Nationen zur Übernahme unserer Werte, unter Bewahrung unseres gerechten und demokratischen Schleiers?“

Fast alle Präsidenten kamen an die Macht mit der Beteuerung – oder gar ihrer Wahlplattform – sich nicht in fremden Kriege einzumischen. Woodrow Wilson, der während des WK I. wiedergewählt worden war, weil er versprochen hatte, sein Land aus dem Krieg herauszuhalten, erklärte er schon bald nach Beginn seiner zweiten Amtszeit, Amerika befände sich faktisch im Kriegszustand. Roosevelt wurde 1940 wiedergewählt, weil er wiederholt feierlich gelobt hatte, die jungen amerikanischen Männer würden „nicht in irgendwelche fremden Kriege geschickt“. Sein Wahlprogramm enthielt den folgenden Wortlaut: „Wir werden unsere Armeen, unsere Flotte und unsere Luftwaffe nicht zum Kämpfen in Länder außerhalb der amerikanischen Hemisphäre entsenden, außer im Falle eines Angriffs.“

Jedoch schon seit 1898 fanden die bellizistischen Hintermänner die Lösung für amerikanische Interventionen – ohne Verlust des propagierten Heiligenscheins: Provokationen und „False Flag Operations“. Damals wurde der Panzerkreuzer USS ‚Maine‘ im Hafen von Havanna „durch eine spanische Mine versenkt“, was den unmittelbaren Ausbruch eines Krieges zwischen Vereinigten Staaten und Spanien zur Folge hatte. Als die Maine viele Jahre später vom Meeresgrund geborgen wurde, stellte sich heraus, dass ihr Rumpf durch eine Explosion in ihrem Inneren aufgerissen worden war.

Im 1. Weltkrieg, am 7 May 1915, wurde die RMS Lusitania, ein britisch-registrierter Ozeandampfer, von einem deutschen U-Boot versenkt. Die Kaiserliche Regierung hatte zuvor alle Feind- und Freundstaaten von ihrer Blockade und Vorgehensweise ausführlich informiert. Es stellte sich heraus, dass die Lusitania u.a. 50 Tonnen Munition für England geladen hatte. Weniger bekannt ist, dass das Schiff vor Einlauf in die Blockade die Amerikanische Flagge trug. Der Angriff wurde Hauptbestandteil, des Meinungsumschwungs der US-Bevölkerung für den Kriegseintritt.

Am 7. Dezember 1941 erlaubte es der japanische Angriff auf Pearl Harbor, „an einem Tag, der als Sinnbild der Niedertracht in die Geschichte eingehen wird“, dem amerikanischen Präsidenten Roosevelt, seinem Volk weiszumachen, die USA sei Opfer eines „völlig unerwarteten Überfalls“ geworden und befinde sich deshalb im Kriegszustand. Zwölf Tage zuvor notierte Kriegsminister Henry L. Stimson in sein Tagebuch nach einer Kabinettssitzung folgendes: „ Die Frage war, wie wir sie [die Japaner] dazu bringen können den ersten Schuss abzufeuern, ohne dass wir dadurch in eine allzu gefährliche Lage geraten; es war eine heikle Situation.“

Im Golf von Tonkin attackierte am 2 August 1964, ein Nord-Vietnamesisches Torpedoboot die USS Maddox in angeblich Internationalem Gewässer. Als Reaktion auf diesen Vorfall beantragte Lyndon B. Johnson beim US-Kongress die Erlaubnis, die US-Militärpräsenz in Indochina zu verstärken. Am 7. August 1964 verabschiedete der Kongress die Golf-von-Tonkin-Resolution, die Präsident Johnson ermächtigte, „alle seiner Meinung nach notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um Vergeltung zu üben und die Aufrechterhaltung des internationalen Friedens und der internationalen Sicherheit in Südostasien zu fördern.“ Die Resolution wurde zur Rechtsgrundlage für die Verfolgung des Vietnamkrieges durch die Regierungen Johnson und Nixon.

Typischerweise scheinen Angriffe auf Flottenteile den grössten Provokationswert zu haben. Der Abschuss eines amerikanischen Flugzeugs, z.B. – egal wie wertvoll oder wichtig die Mission – generiert im allgemeinen weniger Empörung als ein Schiff – einen sichtbaren Flaggenträger, ein Symbol nationalen Stolzes. Der weitere Vorteil einer „False Flag Operation“ auf See, ist die einfache Möglichkeit zur Verschleierung der Umstände, der genauen Position, Zeitpunkt und Feindlage. Diese Angaben liegen einzig bei den entsprechenden Behörden und Geheimdiensten, ausserhalb der Sichtweite jeglicher unabhängigen Zeugen.

Ehrlich: Ein paar Tausend Tonnen Stahl für ein ganzes Land mit seinen Ressourcen und strategischer Lage – das ist doch ein Schnäppchen. Und die Tausenden ertrunkenen oder vom Feuer grausam verschlungenen Seelen? Jetzt nicht kleinlich werden – die erfuhren alle ihre ‚Ehrungen‘! (Man darf sich überlegen, wie die USA reagiert hätten, wären US-Navy Schiffe im Schwarzen Meer von Russland versenkt worden, anstelle russischer Flottenteile durch die NATO! Ein weitere Beweis für die Besonnenheit Putins.)

Der Spanisch-Amerikanische Krieg hat sich gelohnt (er endete mit der Inbesitznahme Puerto Ricos, Kubas, Guams und der Philippinen. Noch mehr lohnten sich für die USA die beiden Weltkriege. Weniger einträglich – ausgenommen für die Rüstungsindustrie – war der Krieg mit Vietnam.

Wir nehmen Wetten entgegen, ob der nächste grosse, und vielleicht entscheidende, Schritt in den amerikanischen Kriegsanstrengungen der Verlust eines amerikanischen Schiffes sein wird, in den Strassen von Taiwan oder Hormuz, vor der Libanesischen Küste, oder gar im Schwarzmeer. Egal, die Zahl der Opfer und Flüchtlinge wird weiterhin steigen – die Gewinner bleiben die gleichen.