DEMOKRATIE – ENDE DER KULTUR?

Nach Amartya Sen ist die Demokratie das „default political system“, also so etwas wie ein Grundstandard, auf den sich, früher oder später, alle Gesellschaften einfügen.

Sens Herkunftsland trägt das Prädikat „größte Demokratie der Welt“, weil es dort „freie Wahlen“ gibt. Als grundsätzlicher Fehler, werden diese oft mit Demokratie im idealen Sinne gleichgesetzt. Wir wollen hier nicht die übliche etymologische Begriffsuntersuchung bemühen, und die alten Griechen in Ruhe lassen. Was verstehen wir also unter einer modernen Demokratie? Schauen wir auf ein Instrument westlicher Meinungsbildung, den „Demokratieindex“ des Magazins The Economist. Danach lebten 2016 nur 4,5 Prozent der Weltbevölkerung in „vollständiger“ Demokratie; nämlich Kanada, Skandinavien und Australien, dicht dahinter die USA, mit Mitteleuropa und – erstaunlicherweise – Indien auf gleicher Ebene. Hinweis auf die unterschiedlichen Ansichten über die Begriffe. Es folgen Staaten mit „unvollständigen“ Demokratien und die lange Liste der autoritären Regierungen. Dass sich China mehrere Punkte noch hinter z.B. Myanmar findet, ist bezeichnend für die einseitigen Kriterien solcher politischen Indexe.

Aus den meisten Definitionen geht hervor, dass eine moderne vollständige Demokratie, die Machtverteilung in einer idealen Gesellschaft beschreiben soll. Dazu müssen diese Prädikate dienen: freie Wahlen, das Mehrheits- oder Konsensprinzip, Akzeptanz von Opposition, Minderheitenschutz,  Gewaltenteilung, Verfassungsmäßigkeit, Schutz der Grund- und Bürgerrechte und Achtung der Menschenrechte. Grundlegende Irrtümer ergeben sich aus der Gleichsetzung von den Begriffen Regierungsform (oder Staatsform) und Herrschaftsform, und die meisten Leser hätten ein Problem beim Unterscheiden von Republik und Demokratie: In einer Demokratie bestimmt die Mehrheit über den Menschen und auch über die Verfassung. In der Republik verfügt auch die Mehrheit, aber nicht über, sondern innerhalb der Verfassung – die Mehrheit bestimmt nicht über unteilbaren Rechte von Minderheiten.

Ayn Rand formulierte es am treffendsten:
„Das europäische Konzept der Emanzipation bestand darin, den Menschen als Leibeigene eines Staates mit einem Monarchen zu befreien und als Leibeigene einem Staat zu überführen, der den Volkssouverän als Oberhaupt hatte. Also vom Sklaven des Stammeshäuptlings zum Sklaven des Stammes.“

Wer also entscheidet in diesem formaljuristischen Gewirr über die einzelnen Rechte und Freiheiten der Bürger, und wer über die Gesetzte aus denen sie sich ableiten? Gesetze sind ein wichtiger Teil der kulturellen Institutionen von Stämmen und Völkern, entwickelt über Jahrhunderte oder gar Jahrtausende aus ihren allgemeinen Sitten und Gebräuchen. Sie bilden die Grundlage für harmonisches und funktionierendes Zusammenleben. Der Maßstab für die Moral und Vernunft dieser Sitten liegt einzig und alleine bei ihrer jeweiligen Gesellschaft. Die meisten gemeinschaftlichen Regeln beziehen sich aus dem Naturrecht. Jeremy Bentham lehnte die Idee von Naturrechten ab. Natürliche und unantastbare Rechte seinen rhetorischer Unsinn, „nonsense upon stilts”, wie er in seiner Kritik an der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte der französischen Nationalversammlung 1789 schrieb:

„So-called moral and natural rights are mischievous fictions and anarchical fallacies that encourage civil unrest, disobedience and resistance to laws, and revolution against established governments. Only political rights, those positive rights established and enforced by government, have “any determinate and intelligible meaning.” Rights are “the fruits of the law, and of the law alone. There are no rights without law – no rights contrary to the law – no rights anterior to the law.”

Aus diesem Standpunkt ergibt sich die interessante (und ketzerische) Frage, ob es sich bei Teilen der „10 Gebote“ wohl um Naturrecht handelt, oder positivem Recht. Letztlich „gehören“ sämtliche Rechte der Macht – der Macht sie zu erzwingen und der Macht sie zu brechen. In einem gerecht gestalteten Staat gibt es nur zwei entscheidende Faktoren: eine Verfassung zu der sich die große Mehrheit bekennt, und das Recht jede Macht zu stürzen, die diese Verfassung verletzt. Auch Bentham musste bei seiner Ablehnung von Naturrechten voraussetzen, dass eine Staatstruktur existiert, die eine gerechte Gesetzgebung ermöglicht. Die Grundlagen dafür bilden die kulturellen Institutionen und deren Entwicklung, keine Diktate der Regierenden oder äußerer Mächte, z.B. den USA, oder supranationalen Institutionen wie der UN. Die meisten politischen Konflikte nach dem WK II. entstanden und entstehen aus globalen Monopolansprüchen der Staats- und Herrschaftsformen – zumindest vordergründig – mit kolonialistischen Ansprüchen.

Wie also kann die Demokratie des Amartya Sen die Grundlage der globalen menschlichen Gemeinschaft bilden? Indem alle Stämme, Völker und Nationen ihre Sitten und Bräuche, ja ihr gesamtes kulturelles Erbe gegen die neuen Ideale der Demokratie eintauschen. Warum sollte sich die „vollständige“ Demokratie nicht mit traditionellen Kulturen vereinbaren lassen? Schauen wir doch einfach auf die gegenwärtigen sozialen Konflikte innerhalb der europäischen Demokratien, wo die politischen Traditionen demokratischen Vorstellungen noch am nächsten stehen. Wir können in Deutschland bleiben um zu erleben, wie der Eifer einer idealen Demokratie ihr Volk spaltet und kulturelle Institutionen zerstört – die guten mit den schlechten.

Hereingetragene indoktrinierte Vorstellungen von Humanismus und Toleranz, nach den Maßstäben mächtiger westlicher Eliten, sind nicht universell kompatibel. Im weiteren geben Forderungen nach Demokratie einen billigen Vorwand für fremde Einmischung. Wer die demokratische Pervertierung in Deutschland studieren möchte, dem sei die Lektüre des Protokolls der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung vom 13-11-2017 als Beispiel empfohlen. Auf die Rede des Dr. Dr. Rainer Rahn (AfD) zum Thema „Leitkultur“, erwiderte Manfred Zieran, Stadtverordneter der Ökolinke-ARL: „…Meinungsfreiheit ist hier in Deutschland anders definiert als z.B. in den USA…“  Wer besitzt also dafür die Definitionshoheit?

Alexis de Tocqueville schrieb: „Die Folge der Zerstörung der Tradition ist die Doktrin der Notwendigkeit, welche die Einheit der Nation allzu hoch und den einzelnen Menschen allzu niedrig schätzt.“ Bedeutet das, dass demokratische Vorgaben, ins extreme getrieben, eventuell faschistoide Formen annehmen? Darum geht es doch letztlich – um das Vermeiden von Extremen. Gewachsene, traditionelle Institutionen haben ihre Gesellschaften seit frühester Zeit im Gleichgewicht gehalten. Herrscher ohne jegliches Mandat – und sei es das des Himmels, wie bei den chinesischen Kaiserreichen – haben nicht lange überdauert. Es wäre zu überlegen, ob der Fortbestand exzessiver Systeme wie Nord-Korea nicht ein Resultat des demokratischen Imperialismus sein könnte.

Eine Gesellschaft ist die Summe aller ihrer kulturellen Institutionen und Homogenität und Souveränität sind wichtige Voraussetzungen für diesen Zusammenhalt und Identität. Wenn die Anforderungen in einer Demokratie eben nicht auf demokratischen Grundlagen zustande gekommen sind, wird das Gegenteil erreicht und weitere gesetzliche Zwänge werden erforderlich um die angeblichen „demokratischen“ Forderungen durchzusetzen. Eine Gesellschaft ist keine Korallenkolonie. Der Einzelne ist mitnichten da, um einer Gesellschaft zu dienen – wie es in Diktaturen verlangt wird.

6 Gedanken zu „DEMOKRATIE – ENDE DER KULTUR?

  1. Pingback: Woanders gelesen: DEMOKRATIE – TOD DER KULTUR? | Deutsche Ecke

    • Hallo „Jo“
      Sie verstehen das falsch: Dies ist ein Essay, das verschiedene Aspekte beleuchtet und Fragen stellt.
      Dieses „Recht“ hat jeder. Versuchen Sie es und machen Sie von Ihrem Recht gebrauch!
      Wenn Ihnen schwerfällt eigene Gedanken in Syllogismen zu formen, dürfen Sie getrost unsere Texte kritisieren. Wir sind auf Ihre Gedanken gespannt!
      Vielen Dank

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